Allgemeines

Unterschätzte Risiken in der Gebäudetechnik
Bei der Bewirtschaftung von Gebäuden steht seit Jahren die Kostenoptimierung im Vorder-grund. Zweifelsfrei konnten dadurch im Bereich der Haus- und Betriebstechnik mit der Neubewertung und Bündelung von Arbeits- und Beschaffungsprozessen enorme Summen eingespart werden. Die Prüfergebnisse von Hygieneinspektionen an Raumlufttechnischen Anlagen sowie Trinkwassersystemen zeigen jedoch, dass vernachlässigte Wartung von technischen Systemen Probleme hervorrufen können, welche die Gesundheit von Men-schen akut gefährden kann.
Das Gefährdungspotential reicht von der Legionärskrankheit „ausgelöst durch Legionellen-bakterien aus kontaminierten Trinkwassersystemen“ bis hin zu chronischen Atemwegser-krankungen, welche häufig ihren Ursprung in mit Schimmelpilzen und Bakterien belasteten Lüftungs- und Klimaanlagen haben. Um das Erkrankungsrisiko für die Angestellten und Nutzer von öffentlichen und privatwirtschaftlichen Gebäuden wesentlich zu reduzieren, ist ein Umdenken in der Gebäudeplanung sowie in der Bewirtschaftung unbedingt notwendig. Um eine Gefährdung von Personen zu verhindern, müssen hygienische und technische Anforderungen aus Gesetzen und technischen Regelwerken bei Planung, Bau und Betrieb gebäudetechnischer Anlagen strikt eingehalten werden.
Hygienische Schwachstellen in Raumlufttechnischen Anlagen

Insbesondere Raumlufttechnische Anlagen stellen bei unterlassener Wartung oder falscher Konzeption ein hohes Risikopotential für Luftschadstoffe wie Schimmelpilze und Bakterien dar. Luftfeuchtigkeit bildet zusammen mit organischen Partikeln aus der Raumluft in Zu- und Abluftkanälen bzw. in den Zentralgeräten einen idealen Nährboden für Mikroorganis-
men. Bei vielen Anlagen wird aus Energieeinspargründen ein Teil der Abluft wieder der Zu-luft beigemengt, so dass Pilze und Bakterien die Gesundheit gefährden können. Auch bei Zentralgeräten neuerer Bauart wurden trotz getrennter Luftführung Schwachstellen lokali-siert, wodurch eine Kontamination der Zuluft möglich wurde.
Die Qualität der Luftfiltration ist im Hinblick auf die Anlagenhygiene besonders wichtig. In diesem Zusammenhang ist jedoch festzustellen, dass trotz des längeren Bestehens der hygienischen Anforderungen an Raumlufttechnische Anlagen nach VDI 6022 (Erstausgabe 1998) in der Praxis immer noch sehr niedrige Filterqualitäten anzutreffen sind. Dadurch ist es leider möglich, dass Staubpartikel, insbesondere Feinstäube unzureichend abgeschie-den werden und in das Zu- bzw. Abluftsystem gelangen. In strömungsungünstigen Berei-chen lagert sich der Staub besonders gut ab, so dass teilweise massive Verschmutzungen auftreten.
OP Abluftkanal OP Abluftkanal

Aufgaben und Anforderungen an Raumlufttechnische Anlagen
Raumlufttechnische Anlagen (RLT-Anlagen) haben die Aufgabe die Raumluft in hygienisch erforderlichem Maße zu erneuern. Die Notwendigkeit zur Raumlufterneuerung ergibt sich aus Belastungen der Raumluft durch freigesetzte Schadstoffe aus Materialien oder Herstel-lungsprozessen, aber auch schon lediglich durch die Anwesenheit von Menschen oder Tie-ren und deren Sauerstoffverbrauch.
Dabei beeinträchtigen unzulängliches Raumklima oder mangelhafte Lufthygiene nicht nur das menschliche Befinden sondern können auch zu erheblichen Leistungseinbußen und Arbeitsausfallzeiten führen.
Die gewünschte und/oder notwendige Raumlufterneuerung erfolgt durch Zufuhr von mög-lichst sauberer Außenluft unter gleichzeitiger Abfuhr von belasteter Raumluft.
Freizeitbad Zuluft Filterkammer Freizeitbad Zuluftkanal

Bei den Maßnahmen des Arbeitsschutzes hat der Arbeitgeber von dem allgemeinen Grundsatz auszugehen, dass der Stand von Technik, Arbeitsmedizin und Hygiene berück-sichtigt werden. Entsprechend §§ 7-8 BioStoffV ist eine Gefährdungsbeurteilung beim nicht gezielten Umgang mit biologischen Arbeitsstoffen in jedem Betrieb durchzuführen. Bei Rei-nigungs- und Wartungsarbeiten an RLT-Anlagen ist eine über die gesundheitlich unbedenk-liche Grundbelastung hinausgehende Belastung mit biologischen Arbeitsstoffen nicht aus-zuschließen.
Wesentlich ist jedoch, dass in der Rechtsprechung somit die VDI 6022 im Streitfall als Basis und „Stand der Technik“ herangezogen wird.
Die Verantwortung für die Hygiene in einer RLT-Anlage obliegt aufgrund der Schuldrechts-reform und des Produkthaftungsgesetzes allen an der Errichtung und dem Betrieb der RLT-Anlage Beteiligten!
Auftraggeber/Betreiber > Architekt/Planer > Anlagenbauer > Wartungsunternehmen > Nutzer

Um Schwachstellen aufdecken zu können, müssen unbedingt qualitativ hochwertige Hygie-neinspektionen durchgeführt werden. Damit sollten jedoch nur Firmen beauftragt werden, welche auch eine kompetente und neutrale Beratung für Verbesserungen und Modifizie-rungen an der Anlage anbieten.
Die gesetzlichen Anforderungen an den Betrieb von Arbeitsstätten sind durch die Änderung der Arbeitsstättenverordnung (Arb-StättV) im Juli letzten Jahres verschärft worden.
Dies hat auch erhebliche Auswirkungen auf die rechtskonforme Durchführung von Hygiene-inspektionen von raumlufttechnischen Anlagen.

Beurteilung aller möglichen Gesundheitsgefahren – § 3 Gefährdungsbeurteilung
Aufgrund von Regelungen in der zu Grunde liegenden europäischen Richtlinie mussten Anpassungen vorgenommen werden. Die ArbStättV enthielt bislang im Unterschied zur Ge-fahrstoffverordnung, Biostoffverordnung und Betriebssicherheitsverordnung keine Konkreti-sierung des § 5 ArbSchG zur Beurteilung der Arbeitsbedingungen (Gefährdungsbeurtei-lung). Die Gefährdungsbeurteilung ist die entscheidende Grundlage für die Bewertung der Gesundheit und Sicherheit der Beschäftigten beim Einrichten und Betreiben einer Arbeits-stätte. (Quelle HLH Heft 07 2011)
Rechtskonformität durch eine aussagekräftige Analysentiefe

Gängige Praxis im Rahmen von Hygieneuntersuchungen ist es, dass Labore meist rein quantitative Analysenergebnisse ermitteln. Dabei wird lediglich die biologische Belastung von Oberflächen in KBE/cm² (KBE=koloniebildende Einheiten) bzw. bei Luftproben in KBE/m³ im Prüfbericht angegeben. Dabei wird jedoch eine mögliche Gefährdung der Be-schäftigten – vom Wartungs- und Instandhaltungspersonal – bis hin zu den Raumnutzern völlig außer Acht gelassen. Denn der zahlenmäßige Gehalt an Keimen auf Oberflächen oder in der Luft ermöglicht keinerlei zuverlässige, sichere oder gar verbindliche Aussage darüber. Insbesondere bei biogenen Stoffen ist eine differenzierte Betrachtung zur finalen Einschätzung und Bewertung einer Gefährdung von großer Bedeutung.
Die Differenzierung der Schimmelpilzarten (bis auf Arten- und Gattungsebene, z.B. Asper-gillus nidulans, Penicillium spec.) ist dem zu Folge eine wichtige Voraussetzung zur rechts-konformen Beurteilung der Belastung und Gefahren für die Beschäftigten durch Sachkundi-ge nach VDI 6022.
Bereits im Kommentar zur VDI 6022 wurde darauf hingewiesen, dass eine rein quantitative Bewertung keine gesicherte Aussage zulässt. Ein Rechtsrisiko für Sachkundige, welche Hygieneinspektionen im Kundenauftrag durchführen. Denn die Berücksichtigung von An-forderungen der Richtlinienreihe der VDI 6022 für installierte RLT-Anlagen alleine reicht für einen rechtskonformen Betrieb der Arbeitsstätte nicht aus.
Jedoch sind alle involvierten Akteure gesetzlich dazu aufgefordert und verpflichtet, bei Ar-beitsschutzmaßnahmen den Stand der Technik zu berücksichtigen.
Daher sollten die Sachkundigen immer beachten, dass VDI-Richtlinien einen Maßstab für ein einwandfreies technisches Vorgehen bilden. Deren Anwendung entbindet den Nutzer nicht von der Verantwortung für eigenes Handeln. Dies geschieht auf eigene Gefahr. Auf-grund dessen sollten die Verantwortlichen gewissenhaft und unter Berücksichtigung aller aktuellen Gesetze, Normen und Richtlinien arbeiten. (Quelle HLH Heft 07 2011)
Um eine sachkundige und vor allem rechtliche sichere Aussage zum hygienischen Zustand einer Anlage im Rahmen von Hygieneinspektionen treffen zu können, sollte man neben den Anforderungen der VDI 6022 unbedingt die der Arbeitsstättenverordnung berücksichtigen. Insbesondere in Bezug auf die Gefährdungsbeurteilung. Denn preisgünstige Laboranalysen können oftmals teure und nachhaltige Fehlhandlungen auslösen. Diese Aspekte sollten von allen verantwortlichen Personenkreisen bei künftigen Auftragsvergaben und Durchführun-gen von Hygieneinspektionen unbedingt berücksichtigt werden. (Quelle HLH Heft 07 2011)